Die arte-Dokumentation „Rechtsextreme in der Wikingerszene“ (Hier der Link dazu) lässt Nazis mit Wikingerhelm erwarten, zumal im Infotext der Reportage explizit von einer „Unterwanderung der Wikinger-Szene durch Rechtsextreme“ zu lesen ist. Aber weit gefehlt, denn der tatsächliche Inhalt ist diesbezüglich leider sehr dünn. Dadurch bleibt der Nachgeschmack, dass nach einer reißerischen Überschrift ein paar Beobachtungen geschildert und einige Interviews gezeigt werden, aber niemandem wirklich auf die Füße getreten werden sollte und dem angekündigten Thema nicht wirklich nachgegangen wurde.
Was letztendlich gezeigt wird, sind wenige Interviews mit Wikinger-Darstellern, die sich unpolitisch geben und Unbehagen darüber äußern, dass das Wikingerthema damals und heute politisch instrumentalisiert wird. In der Sendung wird ferner vermittelt, dass Wikingerveranstaltungen als widerspruchslose Bühne für rechtsextreme Menschen dienen, die dort ihre Symbole auf Kleidung und Transparenten präsentieren. Das zeigt jedoch keineswegs eine Unterwanderung, sondern lediglich das Ausnutzen eines hochinteressanten Umfeldes für offen rechtsextreme politische Präsenz.
Zwei Fotos von Begegnungen zwischen Mitwirkenden und sich eindeutig als rechtsextrem präsentierenden Personen sollen zeigen, dass es keine offensichtliche Gegenwehr oder Protest von Seiten der Wikingerszene gibt. Diese Aussage wirkt jedoch sehr allgemein, weil der Kontext der Fotos völlig unbekannt ist. Es zeigt aber zugespitzt, dass es tatsächlich problemlos möglich ist, diese Veranstaltung für Aufmärsche von politischen Gruppen und als Laufsteg für Nazimode zu missbrauchen.
Problem: Wie schon in anderen Veröffentlichungen wird die Veranstaltung im polnischen Wolin als Beispiel dafür genutzt, wie sich Rechtsextreme in Szene setzen. In Polen gelten jedoch andere Gesetze, was das öffentliche Zeigen von Symbolen betrifft, die in Deutschland als rechtsextremistisch oder volksverhetzend verbotenen sind. Allerdings wird in der Arte-Dokumentation sehr klar, welche Bedeutung die Veranstaltung in Wolin für den schaukampfbegeisterten Teil der deutschen Wikingerszene hat. Dort tritt jedoch offen zutage, wie sich sowohl „Reenactors“ als auch ewiggestrige Nationalisten aus ähnlicher Symbolik und Bildkraft bedienen. In der Reportage fehlt leider völlig, wie sich das Bild von Wikingerveranstaltungen in Deutschland oder anderen Ländern darstellt, zumal nach Wolin sowohl Darsteller als auch Besucher aus vielen verschiedenen Ländern kommen.
Ja, es gibt den politischen Missbrauch des Wikingerthemas. Das war auch Thema zweier Fachtagungen, über die wir berichtet hatten. Es gab vereinzelt auch Unterwanderungsversuche, wie wir einen solchen z. B. vor vielen Jahren bei einer Veranstaltung in Ratzeburg selbst erleben mussten. Es gibt in der heutigen deutschen Wikingerszene sicher auch, wie in der gesamten Bevölkerung Deutschland, tatsächlich Rechtsextreme oder populistische Meinungen.
Es gibt aber auch ernsthafte und sehr erfolgreiche Bemühungen, diese Politisierung der Thematik und Symbolik von rechtsextremem Missbrauch zu trennen:
- Wikingergruppen oder -vereine, die klare Regeln und Verbote zu politischer Symbolik haben
- Veranstaltungen, die den Einlass mit bestimmten Kleidungsmarken oder Textilien mit Texten und Symbolen verbieten, um eben keine Bühne für Rechtsextremismus zu sein
- Museen oder Orte des Gedenkens, bei denen solche Kleidung oder auch entsprechende Schmucksymbolik grundsätzlich per Hausordnung verboten ist
- Einzelpersonen, die die Herkunft eines Symbols gründlich recherchiert haben und in der Lage sind, Rechtsextremismus aufzuzeigen oder gegebenenfalls auch anzuprangern.
Basis dieser Einschätzung sind unsere eigenen Beobachtungen, Begegnungen und Gespräche in vielen Jahren, in denen wir mit einem Verkaufsstand voller Symbole Wikingermärkte und „Mittelalter“-Veranstaltungen besuchen – und die noch ergänzt werden durch lustige, aber auch haarsträubende Erlebnisse in unserem Laden in der Wikingerstadt Schleswig.