9 Fragen – 9 Antworten. Eine magische Zahl für ein magisches Thema. In der nordischen Mythologie ist es der Gott Odin, der die Weisheit der Runen am Weltenbaum Yggdrasil erfuhr. Doch auch in der Welt der Menschen gab und gibt es Runenkundige. In diesem Gastbeitrag beantwortet Euch Lars die 9 häufigsten Fragen zur Runenschrift.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Runenschrift?
- Was ist das Futhark?
- Wie alt ist die Runenschrift?
- Wann wurde die Runenschrift benutzt?
- Wo kommt die Runenschrift her?
- Was war die Runenschrift der Wikinger?
- Gibt es Zahlen in der Runenschrift?
- Wurden Runen für Magie genutzt?
- Wurden Runen zum Opfern genutzt?
Ausblick & Gedanken zum Runenorakel
1. Was ist Runenschrift?
Runenschrift ist ein Schriftsystem aus grafischen Zeichen (Runen), das von germanischsprachigen Ethnien genutzt wurde. Das Wort Rune bedeutete soviel wie Geheimnis. Jedes Zeichen der Runenschrift gibt einen Lautwert wieder, trägt jedoch zusätzlich noch einen Runennamen mit eigener Bedeutung. Die Rune f trägt beispielsweise den Namen fehu, was Urgermanisch ist und Vieh oder Besitz bedeutet.
Hier findest du eine Runentabelle mit den rekonstruierten urgermanischen Runennamen der 24er-Runenreihe. Die fettgedruckten Worte entsprechen der Übersetzung, die nachstehenden sind Interpretationen.
2. Was ist das Futhark?
Das Futhark ist das Alphabet der Runenschrift. Der Name Alphabet leitet sich von den ersten beiden Buchstaben des griechischen Alphabets ab: Alpha und Beta. Es bezeichnet eine festgelegte Buchstabenfolge (a, b, c …). Die Runenschriften kannten ebenfalls festgelegte Reihenfolgen und diese begannen (fast) immer mit f, u, th, a, r und k. Davon leitet sich der Name Futhark ab.
Die Ausnahmen: Durch sprachliche Veränderungen im Lautsystem entwickelte sich die englische Runenschrift zu einem Futhorc. Bei den Runenschriften des christlichen Mittelalters (nach der Wikingerzeit) spricht man von Futhork.
Da sich die Runenschrift im Laufe der Zeit und in verschiedenen Gegenden abgewandelt hat, gibt es etwas unterschiedliche Runenreihen. Das bedeutet, es gibt verschiedene Futharks. Das Ältere Futhark umfasst 24 Runen, das angelsächsische Futhorc 28 oder auch 31 Runen. Beide englischen Varianten sind in Inschriften bezeugt. Das Jüngere Futhark umfasst nur 16 Runen.
Einige Funde zeigen, dass das Futhark in 3 Gruppen geteilt wird, der im Älteren Futhark je 8 Runen angehören. Diese Gruppen werden heute als ætt bezeichnet, was Geschlecht bedeutet. Die Bezeichnung ætt stammt aus einer isländischen Handschrift des 17. Jahrhunderts. Als Namen für die drei ættir werden genannt: Freys ætt, Hagals ætt und Týs ætt. Während Hagall sich auf die gleichnamige Rune bezieht, stehen die nordischen Götter Freyr und Týr Pate für die erste und die letzte Gruppe.
3. Wie alt ist die Runenschrift?
Die Runenschrift entstand im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Die ältesten Funde stammen aus der Zeit um 200 n. Chr. und wurden im südlichen Skandinavien sowie dem heutigen Schleswig-Holstein entdeckt. Allerdings wurde Ende 2021 ein Runenstein in Norwegen entdeckt (Gräberfeld von Tyrifjorden), welchen die Forscher nach Aussage des Kulturhistorischen Museums Oslo auf das Jahr 1 – 250 nach unserer Zeitrechnung datieren – einer der ältesten Funde überhaupt. Bereits in der Bronzezeit gab es Zeichen, die einigen Runen ähnlich sehen. Diese können allerdings noch nicht als Runen gelten und haben mit der Runenschrift nicht besonders viel zu tun.
4. Wann wurde die Runenschrift benutzt?
Grob lässt sich sagen, dass die Runenschrift vom 1. Jahrhundert n. Chr. bis in das 14. Jahrhundert. n. Chr. verbreitet war. Sie wurde rund 1400 Jahre lang im germanischen Sprachraum und darüber hinaus genutzt.
Im Zuge der Christianisierung – die im 10. bis 11. Jh. auch Skandinavien erfasste – wurde die Runenschrift allmählich von der lateinischen Schrift verdrängt. Dennoch wirkte das Runenwissen noch bis in das 15. Jahrhundert. Vereinzelt gab es im Norden eine ungebrochene Nutzung der Runenschrift bis in das 19. Jahrhundert.
5. Wo kommt die Runenschrift her?
Die meisten der ältesten Funde stammen aus dem Raum Südskandinavien und Nord- sowie teilweise Ostdeutschland, seit 2021 mit dem Fund vom Runenstein von Tyrifjorden auch aus Norwegen. Die Runenschrift wird in diesen Gebieten jedoch nicht aus dem Nichts entstanden sein. Es kommen andere alte Schriften in Frage, die den Germanen als Vorbild gedient haben könnten. Sie waren schließlich ständig in Kontakt mit mediterranen Kulturen, die schon lange Schriftsysteme nutzten.
Hierzu gibt es verschiedene Thesen:
Latein-These
Die derzeit wohl beliebteste These zur Entstehung der Runenschrift. Als Vorlage oder Inspiration hätte demnach die römisch-lateinische Schrift gedient. Entweder die sogenannte Capitalis, welche die Römer für Bücher und monumentale Inschriften verwendeten oder die Kursiv-Variante, die für alltägliche und geschäftliche Zwecke genutzt wurde.
Da das lateinische Alphabet im Bereich des heutigen Dänemarks und Schleswig-Holsteins bekannt gewesen ist, könnten die dort ansässigen Stämme die Urheber der Runenschrift gewesen sein. Immerhin stammen auch mehrere der ältesten Runenzeugnisse aus diesen Gebieten. Ein sprachlicher Austausch zwischen Germanen und Römern wäre allerdings eher im Niederrheingebiet zu erwarten, weshalb auch diese These Fragen aufwirft.
Norditalienisch-Etruskische These
Hiernach wären es regionale Alphabete aus den italienischen Alpen gewesen, die der Runenschrift als Vorlage gedient hätten. Diese Alphabete sind aus dem etruskischen Alphabet entstanden, welches wiederum auf das griechische Alphabet zurückgeht. Die Runenschrift könnte von einem germanischen Stamm aus dem Alpengebiet entwickelt worden sein.
Griechisch-These
Nach dieser These wäre die Vorlage der Runenschrift das klassische, griechische Alphabet gewesen. Einige Forscher glauben, dass die Runenschrift auf die Goten zurück geht, die sich an der griechischen Kursivschrift orientiert hätten. Dies gilt heute als nicht sehr wahrscheinlich.
Punische These
Die neuste These zur Entstehung der Runenschrift. Das Vorbild wäre demnach das Phönizische Alphabet gewesen, welches auch der Urvater des griechischen und lateinischen Alphabets ist. Hierfür sprechen einige Besonderheiten der Runenschrift, wie zum Beispiel die Runennamen. Das Punische Alphabet ist eine Spätform des Phönizischen.
Wer waren die ersten Runenmeister?
Es stellt sich die Frage, was für eine Person oder Personengruppe ein Schriftsystem wie die Runenschrift entwickeln konnte. Die Schöpfer der Runenschrift müssen einen hohen Bildungsstand und sehr gute Sprachkenntnisse aufgewiesen haben. Möglicherweise handelte es sich um die intellektuelle Elite eines Stammes oder Kriegerverbandes.
6. Was war die Runenschrift der Wikinger?
Die Wikinger nutzten verschiedene Varianten des sogenannten Jüngeren Futharks. Dies hat sich in Skandinavien im 7. bis 8. Jh. herausgebildet und umfasst 16 Runen. Es sind also ganze 8 Runen weggefallen. Zudem wurden bestimmte Runen in ihrer Form vereinfacht.
Die Reduzierung der Runenschrift führte dazu, dass nun einzelne Runen verschiedene Laute wiedergeben konnten. Um Verwechslungen zu vermeiden, hat man kleine Punkte in die Runen eingefügt, womit unterschieden werden konnte, welcher Laut gemeint ist.
Beispiele für das jüngere Futhark:
In der Wikingerzeit erlebte die Runenschrift ihren letzten großen Boom. Am bekanntesten sind die vielen Runensteine, die vermehrt in Dänemark und vor allem Schweden vorkommen. Im schwedischen Uppland war es im 11. Jahrhundert scheinbar Mode, mit Runenschrift versehene Steine zu errichten. Über 1500 Runensteine finden sich in Uppland. Die meisten Runensteine der Wikingerzeit dienten als Gedenksteine.
Da die Wikinger äußerst mobil waren, findet man mit Runenschrift versehende Objekte von Grönland bis Türkei.
Runensteine von Haithabu und Schleswig
Im Umfeld des berühmten Wikinger-Handelsplatzes Haithabu wurden 4 Gedenksteine mit Runenschrift gefunden. Sie werden heute im Wikinger Museum Haithabu (bei Schleswig) ausgestellt. Ein weiterer Runenstein wurde im Dom von Schleswig entdeckt.
Der große Sigtryggstein
Mit der Runenschrift dieses Steines gedenkt die Königin Asfrid ihrem verstorbenen Sohn Sigtrygg. Interessant ist, dass es sich um schwedische Runenschrift handelt. Haithabu stand zeitweise unter schwedischer Herrschaft. Wer eine Rundwanderung um Haithabu macht, kann sich die Runenschrift am Fundort anschauen. Dort befindet sich eine Nachbildung des Runensteines.
Der kleine Sigtryggstein
Inhaltlich ist die Runenschrift des kleinen Sigtryggsteines nahezu identisch mit der Runenschrift des Großen: Asfrid, die Tochter Odinkars, machte diese Denkmäler zum Gedenken an König Sigtrygg, ihren und Knubas Sohn. Gorm ritzte die Runen. Der Stein fand sich eingemauert im Fundament einer Bastion vom Schloss Gottorf (Schleswig). Die Sigtryggsteine stammen aus dem 10. Jahrhundert.
Der Runenstein vom Schleswiger Dom
Auch dieser Runenstein fand sich eingemauert in der Stadt Schleswig wieder und zwar im Fundament des Schleswiger Doms. Die Runenschrift ist starkt beschädigt. Der Gedenkstein ist einem unbekannten Mann gewidmet, der in einem englischen Ort namens Skia ums Leben kam. Die Runenschrift stammt aus dem 11. Jahrhundert.
Der Skarthestein
Der Skarthestein ist einer der beiden Svensteine von Haithabu aus dem frühen 11. Jahrhundert. Sie zeugen von einer Belagerung Haithabus. Etwas jünger als die Sigtryggsteine ist die Runenschrift in einer dänischen Sprachform verfasst. Unmittelbar neben dem Stein fand sich ein Grab, das vielleicht zum Stein gehörte. In der Runenschrift gedenkt der dänische König Sven seinem Gefolgsmann Skarthe: König Sven setzte diesen Stein zum Gedenken an Skarthe, seinem Gefolgsmann, der nach Westen (England) gefahren war, aber nun fiel bei Haithabu.
Der Erikstein
Der zweite Svenstein. Auch dieser Stein fand sich in der Nähe von Grabhügeln. König Sven wird in dieser Runenschrift erneut erwähnt: Thorolf, der Gefolgsmann Svens, errichtete diesen Stein zum Gedenken an seinem Genossen Erik, der den Tod fand, als die Krieger Haithabu belagerten, und er war Steuermann, ein wohl geborener Krieger. Die Runenschrift lässt sich auch bei diesem Gedenkstein in der Nähe des Fundortes besichtigen. Die Nachbildung befindet sich am Parkplatz von Wedelspang entlang der Kreisstraße (bei Haithabu).
Runenschrift auf Holz und Knochen
Bei Grabungen in Haithabu fand man kleine Holzstäbchen mit Runenschrift. Sie stammen aus dem frühen 9. Jahrhundert. Von besonderer Bedeutung ist das sogenannte Holzstäbchen I von Haithabu. Es enthält eine Futhark-Inschrift, gefolgt von einer nicht deutbaren Inschrift. Die besondere Bedeutung dieser Runenschrift liegt darin, dass sie eine frühe Variante des Jüngeren Futharks wiedergibt: Das Haithabu-Futhark. Einige Runenformen dieser Variante weisen darauf hin, dass sie speziell für die Verwendung auf Holz entwickelt wurde.
In der Schleswiger Altstadt – also unweit Haithabus – fand sich eine weitere Futhork-Inschrift. Sie ist deutlich jünger und stammt aus dem nachwikingerzeitlichen Mittelalter. Als Träger dieser Runenschrift dient ein Knochen. Das sogenannte Mittelalter-Futhork auf Knochen 5 ist im Museum für Archäologie Schloss Gottorf nicht leicht zu finden. Unübersehbar ist allerdings die große Neunweltensäule des Lollfußer Mythenpfad in Schleswig. Das Schleswiger Futhork hat der Künstler Armin Lohmann im oberen Bereich der Holzskulptur eingebracht, unmittelbar unter den thronenden Adler.
7. Gibt es Zahlen in der Runenschrift?
Diese Frage lässt sich kurz beantworten: Nein. Eine Zahlschrift – so wie wir sie heute nutzen (1, 2, 3) – gab es nicht. Gelegentlich auftretende Zahlwörter (eins, zwei, drei) wurden in Runenschrift ausgeschrieben.
Im frühen Mittelalter war die Runenschrift auch in der Welt des Handels in Gebrauch. Wenn es um Mengenangaben ging, wurden regional gebräuchliche Einheiten genutzt. Zum Beispiel die in Norwegen üblichen Gewichtseinheiten pund und merkr.
8. Wurden Runen für Magie genutzt?
Ja! Die Runenschrift wurde von ihrer Anfangszeit bis zu ihrem (vorläufigem) Ende auch für Magie genutzt.
Magische Formeln und Bannsprüche
Schon bei den ganz alten Inschriften konnten magische Wortformeln nachgewiesen werden. Sie tauchen nicht selten auf Amuletten auf.
alu
Besonders häufig findet sich die magische Formel alu. Alu bedeutet soviel wie Schutz und ist unter anderem auf 13 verschiedenen Brakteaten der Völkerwanderungszeit überliefert. Das Wort lässt sich zwar nicht eins zu eins übersetzen, jedoch hängt es mit dem Begriff ǫl (Bier) zusammen. Es wird vermutet, dass die mit Runenschrift versehenden Gegenstände im magischen Ritual mit Bier besprengt wurden, um sie mit abwehrenden und schützenden Kräften aufzuladen.
laukaR
Eine weitere, magische Formel ist laukaR. Wörtlich übersetzt bedeutet laukaR Lauch oder Lebenskraut. Der magische Begriff steht für Gedeihen und Fruchtbarkeit. Er wurde auch zur Heilung verletzter Pferde genutzt. Auf einem Messer aus der Zeit um 350 n. Chr. fand man die in Runenschrift geschriebene Wortkombination linakaukaR, was Leinen und Lauch bedeutet.
Rund tausend Jahre später begegnen wir dieser Wortverbindung erneut, und zwar in einer altisländischen Erzählung. Die durchaus kuriose Geschichte vom Völsi handelt von einem kultischen Ritual, das sich um einen konservierten Pferde-Penis (namens Völsi) dreht. In der Geschichte heißt es, dass der magische Phallus mit Leinen und Lauch präpariert war. Klingt komisch, ist aber so. 😉
lathu
Ebenfalls im Zuge einer Verarztung oder Heilung wurde von der Formel lathu Gebrauch gemacht. Sie diente dazu, helfende Geister herbei zu rufen. In einem Fall – und zwar auf einem Brakteaten – taucht sie zusammen mit alu und laukaR auf.
ota
Die Formel ota ist ausschließlich als Runenschrift auf Brakteaten überliefert. Sie hatte wie alu eine schützende Funktion. Im Gegensatz zu alu ging es bei ota allerdings darum, gefährlichen Geistern oder anderen Mächten Angst einzujagen, sie zu erschrecken.
Schutzrunen und Gräber
In Gräbern dienten Runenschriften unter anderem dazu, den Toten im Grab zu halten, um die Lebenden vor Wiedergängern (altnordisch: draugr) zu schützen. In einem Frauengrab in Norwegen (Eikeland) hat ein Mann seiner verstorbenen Frau eine Bügelfibel mit in das Grab gelegt. Die eingeritzte Runenschrift lautet übersetzt: Dieser Schmuck ist Schutz gegen Tote. Runensteine an Gräbern schützten allerdings nicht nur vor Wiedergängern. Sie sollten auch Grabräuber fernhalten.
Magische Runenschrift in der Wikingerzeit
Aus der Wikingerzeit ist die Zauberformel þistill mistill kistill (Distel, Mistelzweig, kleine Kiste) bekannt. Wahrscheinlich handelte es sich hierbei um eine Fluchformel. Fluchformeln wurden auch dazu genutzt, den Runenstein vor Beschädigungen oder dem Verrücken des Steines zu schützen.
Zum Zwecke der Magie wurden Runen auch als Begriffsrunen verwendet. Das heißt, dass in dem Fall die Runennamen von Bedeutung sind. In Schweden fand man ein Amulett, das gegen Wundfieber helfen und den Wundfieber-Geist in die Flucht schlagen sollte. Die Runenschrift enthält drei mal die i-Rune, welche für Eis steht. Diese dreifache Eisrune sollte den bösen Geist entweder beschwichtigen oder ihm dreifaches Leiden zufügen.
Auch der Runenreihe an sich wurde eine magische Wirkung zugeschrieben. Es gibt zahlreiche Funde von Futhark-Inschriften, die zu magischen, schützenden Zwecken angebracht wurden.
Die mehrfache Aneinanderreihung von Begriffsrunen hat einen zahlenmagischen Hintergrund. Auf einem kleinen Holzstückchen aus dem mittelalterlichen Schweden finden sich die Runen þþþnnnooo. Auf Altnordisch liest sich diese Runenschrift: Drei mal þurs (Riese, Troll), drei mal nauð (Not) und drei mal óss (Ase, Gott). Der Zauber sollte die Vernichtung von bösen Mächten bewirken.
Runenschrift und Magie im christlichen Mittelalter
Insbesondere aus dem christlichen Mittelalter sind verschiedene Liebeszauber überliefert. Meine Liebe küss mich heißt es auf einem Runenhölzchen aus Bergen.
Die magische Verwendung von Runen wurde auch von Gelehrten dieser Zeit betrieben. Sie verbanden die Runenschrift mit magischen Traditionen aus der Antike sowie der christlichen Religion. Die Angst vor Dämonen sorgte im 12. bis 15. Jahrhundert für einen kleinen Boom von bleiernen Schutzamuletten. Bei diesen Runenamuletten handelte es sich um christliche Magie des Mittelalters.
9. Wurden Runen zum Opfern genutzt?
Runen wurden auch für kultisch-rituelle Handlungen genutzt. Sehr alte Runeninschriften wurden auf Opfergaben in Mooropferplätzen entdeckt. Bei manchen ließ sich feststellen, dass die Runen im Zuge der Opferung angebracht wurden.
Im Thorsberger Moor in Schleswig-Holstein fand man einen Schildbuckel mit einer innenseitigen Runenschrift. Nach einer möglichen Lesart dieser Inschrift wird in der Runenschrift der Gott Wodan (Odin) angesprochen: Der Wütende, heiße ich. Es ist gut möglich, dass die Opfergabe dem Wodan geweiht und ihm als Dankesgabe für eine siegreiche Schlacht übergeben wurde.
Auch bei Grabbeigaben wurden Runen erst im Zuge des Ritus eingebracht. Bei der Runenschrift der Fibel von Beuchte (Goslar) wurde festgestellt, dass sie erst kurz vor der Niederlegung in ein Grab eingeritzt wurde.
In diesem Video erfahrt ihr etwas über die Runen aus dem Thorsberger Moor (Schleswig-Holstein):
Noch etwas vergessen?
Wer sich ein fundiertes Grundwissen zum Thema Runenschrift aneignen will, kommt an Runenkunde von Klaus Düwel nicht vorbei. Auch für diesen Blog-Artikel habe ich vor allem Düwels Standardwerk zur Hand genommen. Das Buch des angesehenen Runologen vermittelt euch einen Überblick zum Stand der Runenforschung.
Die Runenschrift gibt uns heute immer noch viele Rätsel auf. Das verwundert nicht, denn Runenschrift wurde häufig als Geheimschrift verwendet und die Entschlüsselung absichtlich erschwert.
Eine spannende Frage ist, ob oder wie Germanen die Runenschrift als Losorakel nutzten. Hierfür gibt es nämlich keine eindeutigen Belege, sondern nur einige Hinweise. Heute gibt es viele Menschen, die davon überzeugt sind, dass sich die Runenschrift sehr gut zum Orakeln eignet. Wer sich auf die Suche begibt, findet zahlreiche Bücher, die moderne Praxisanleitungen und Ideen für ein Runenorakel präsentieren.
Empfehlen können wir euch Das Lied der Eibe von Duke Meyer. In diesem Runenbuch präsentiert euch der Autor seine persönlichen Erfahrungen und spannende Interpretationen. Wie lassen sich die Runen heute nutzen?
Runen und Magie haben ihren Schwerpunkt in diesem Buch: Germanische Magie von Gardenstone / Gunivortus Goos.
Wenn euch noch etwas einfällt und ihr etwas ganz bestimmtes zur Runenschrift wissen wollt, dann schreibt es gerne in die Kommentare. 👍
Literatur
Düwel, Klaus: Runenkunde, 4. Auflage, Stuttgart 2008.
Krause, Wolfgang: Runen, 2. unveränderte Auflage, Berlin 1993.
Vennemann, Theo: Germanische Runen und phönizisches Alphabet. In: Sprachwissenschaft 31, Trier 2006, S. 367–429.
Gulliksen, Øivind: Found the world’s oldest rune stone. Auf: https://www.khm.uio.no/english/news/found-the-world-s-oldest-rune-stone.html, Oslo 2023.
http://www.runenprojekt.uni-kiel.de/
Hallo,
ein super Blog-Beitrag. Danke erstmal dafür! Eure Aufforderung Fragen zu stellen greife ich gerne auf. 🙂
Unter Punkt 3 schreibt ihr dass es bereits in der Bronzezeit Symbole gab die Runen nicht unähnlich sehen. Habt ihr dazu Quellen? Das interessiert mich weitergehend. Wo liegen die Unterschiede zu den tatsächlichen Runen wenn sie sich schon ähnlich sehen? Und wo kommen diese bronzezeitlichen Symbole vor?
Unter Punkt 6, im Absatz unterhalb Abb. 2 schreibt ihr „Die meisten Runensteine der Wikingerzeit dienten als Gedenksteine.“. Habt ihr Beispiele für Runensteine die nicht als Gedenksteine fungieren?
Viele Grüße und Danke!
Henning
Hallo Henning, vielen Dank für die Fragen und natürlich vielen Dank für das Lob! 🙂
Zu Punkt 3: In der skandinavischen Bronzezeit tauchen verschiedene Formen variationsreich innerhalb der für diese Zeit üblichen Bildsprache auf. Im Zentrum bronzezeitlicher Ritzungen stehen meist Darstellungen von Menschen oder konkreten Objekten. Abstrakteren Symbolcharakter hätten vor allem die vielen Sonnendarstellungen (meist Radkreuze). Wenn man sich die wuseligen Steinritzungen so ansieht, ließe sich in der einen oder anderen Form etwas Runenartiges erahnen. Schau dir zum Beispiel einmal die Felsritzungen von Backa oder Tanum (Schweden) an. Beachten sollte man zweierlei: Diese Formen stehen im Kontext einer bestimmten Bildsprache und bestimmten, bildlich tradierten Erzählungen, die sich ohnehin nur schwer rekonstruieren lassen. Jedenfalls haben sie ihren Sinn in diesen Kontexten und können daher nicht isoliert betrachtet werden. Zweitens müsste man eine Traditionslinie (auch in der Bedeutung der Zeichen) zu ähnlich aussehenden Runen-Zeichen plausibel machen, die uns als Fund ja erst für die Zeit um 200 n. Chr. vorliegen. Das ist meines Wissens bisher noch keinem Wissenschaftler gelungen.
Zu Punkt 6: Es ist gar nicht so leicht, da ein schönes Beispiel zu finden. Neben vielen Steinen mit eindeutigen, simplen Gedenk-Inschriften gibt es auch einige mit kurzen, unlesbaren Inschriften, einzelnen Namen (evtl. nur Nennung des Runenritzers) und unter diesen viele, bei denen die Runenschrift nicht mehr ganz erhalten zu sein scheint. (Dover, Dagsbergs kyrka etc.) Man kann vermuten, dass es sich bei diesen ursprünglich auch um Gedenkinschriften gehandelt hat. Beweisen lässt sich das nicht. Vor nicht allzu langer Zeit war der schwedische Rök-Stein mal wieder im Gespräch. Die Bedeutung der langen Inschrift ist umstritten. Zwar beginnt die Inschrift wie eine typische Gedenkschrift, so erfüllt der wesentlichere lange Teil der Inschrift möglicherweise einen anderen Zweck. Noch ein Beispiel, das allerdings etwas nach der Wikingerzeit zu datieren ist: Innerhalb einer Megalith-Anlage auf den Orkneyinseln (Maes Howe) fand man mehrere Inschriften auf den steinernen Innenwänden eingeritzt. Die Inhalte unterscheiden sich sehr von Gedenksteinen. Unter anderem sprechen sie von einem Schatz, der dort gesucht wurde.
Ich hoffe, dass ich weiterhelfen konnte. 🙂
Beste Grüße, Lars
Hallo,
vielen Dank für die ausführlichen Antworten! Das gibt mir bei den Themen Runen und Runensteine mehr „Pack-an“, bisher waren die Themen für mich nur schlecht greifbar.
Ein dickes Danke nach Schleswig!
Henning