Auf unseren Reise ins Baltikum wollten wir abseits unserer üblichen Wikinger-Thematik Neues und Ungewohntes entdecken. In einem Museum in Riga fanden wir dann aber überraschenderweise einen Runenstein! Der musste dann doch näher betrachtet werden…

Eine Überraschung im Lettischen Museum
Bei unserem Besuch im Lettischen Nationalmuseum für Geschichte in Riga waren wir gar nicht darauf aus, gezielt nach Spuren der Wikinger zu suchen. Wir waren einfach neugierig auf die Geschichte der Region östlich der Ostsee – und da steht dann ein Runenstein in Riga!
Bei diesem Runenstein handelt es sich um eine Kopie des „Mervalla-Steins„, das Original befindet sich in Schweden. Es fand sich nahe der wikingerzeitlichen Stadt Birka auf der Insel Selaön im See Mälaren. Seine Runeninschrift dokumentiert die Reisen eines Mannes namens Sven. Er segelte vom schwedischen Södermanland aus an die Küsten der Bucht von Riga im heutigen Lettland.
Wir hatten ja selbst ein paar Reiseziele eingeplant, um Produkte kennenzulernen, die vielleicht das Sortiment unseres Ladens in der Wikingerstadt Schleswig bereichern und erweitern könnten. Mit dieser Runeninschrift fanden wir ein deutliches Zeugnis des wikingerzeitlichen Handels über die Ostsee. Das überraschte uns doch, da uns der „berühmte“ Mervalla-Runenstein bisher unbekannt oder zumindest beim Recherchieren zu Runensteinen nicht aufgefallen war.
Runeninschriften als Fenster in vergangene Zeiten
Runen umweht der Hauch des Geheimnisvollen. Einige Runenfunde bestehen nämlich nur aus Einzelrunen oder sehr kurzen Inschriften, die als Symbole, Wortformeln oder auch als Namen gedeutet werden können. Oft finden sich das Futhark, die gesamte Runenreihe, als symbolhafte Inschrift.
Allerdings bieten Runeninschriften für die Wissenschaft tatsächlich meist „nüchterne Fakten“ – wenn sie denn (noch) zu entziffern sind. Viele der les- und übersetzbaren Inschriften wurden nämlich als Gedenksteine aufgestellt. Somit ergeben sich Hinweise auf besondere Personen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie die Gesellschaft der damaligen Zeit. Manchmal berichten sie von Reisen, die die auf dem Stein erwähnten Personen unternommen hatten und von denen sie manchmal auch nicht zurückgekehrt waren.
Die Lesbarkeit von Runeninschriften
Leider sind nicht mehr alle ursprünglich als lesbar erfassten Inschriften tatsächlich noch zu entziffern. Das Verwittern ist ein Problem: Im Freien stehende Steine verkommen seit einigen Jahrzehnten viel stärker als zuvor, verursacht durch die von Menschen verursachten Abgase. Schwierigkeiten beim Lesen macht zudem, dass es zur Zeit der Erstellung der Runensteine keine einheitliche Rechtschreibung gab und die Inschriften in einer heute nicht mehr benutzen Sprache verfasst sind. Auch sind manche Beschriftungen durch von den Runensteinen abgebrochene Teile nicht mehr vollständig oder nicht sinngemäß zu lesen.
Der in Riga ausgestellte Runenstein
Wie ist er einzuordnen?
Anders als die Schriftsteine, die sich beispielsweise rund um Haithabu fanden und nur von Runenzeilen bedeckt sind, ist der Mervalla-Stein ein sogenannter „Schlangenbandstein„: Das meiste des Runentextes befindet sich auf dem Körper einer Schlange, die rund um ein Kreuz herum die Vorderseite des Steines ziert.
Es handelt sich um einen klassischen Gedenkstein. Das verrät uns nämlich die Inschrift.
Die Übersetzung der Runenschrift
Die Runeninschrift lautet nach Angaben der Universität Uppsala:
siriþ · lit · resa · stan · [þin](a) [·] (a)(t) · suen · sin · [b]unta · h[n] · uft · siklt · til · simk(a)(l)(a) · t(u)ru[m] · knari · um · tumisnis
In schwedisches Altnordisch übertragen:
„Sigrið let ræisa stæin þenna at Svæin, sinn bonda. Hann oft siglt til Sæimgala, dyrum knærri, um Domisnæs.“
und ins Deutsche übersetzt:
„Sigridr ließ diesen Stein in Erinnerung an Sveinn, ihren Ehemann, errichten. Er segelte oft mit einem wertvollen Frachtschiff (Knarr) nach Semgallen, vorbei an Kap Kolka.“
Was erfahren wir?
Eine Frau namens Sigrid erinnert damit an ihren Mann Sven und seine Reisen „mit reichen Schiffen am Kap Kolka vorbei nach Semgallen“.
Semgallen ist eine Region in Lettland. Kap Kolka, das im Text „Domisnæs“ oder „Domesnäs/Domesnes“ genannt wird, ist die Spitze einer nach Norden ragenden Landzunge, wo die Ostsee auf die Bucht von Riga trifft. Das hat manchmal recht ungemütliche Verhältnisse auf See zur Folge! Diese hatten aber den besagten Sven anscheinend nicht davon abgehalten, seinen mit kostbaren Waren beladenen Knarr zwischen dem heutigen Schweden und Lettland hin und her zu segeln.
Ob Sven auch von seiner letzten Reise wieder zu Sigridr zurückkehren konnte, wissen wir allerdings nicht. Die Semgallen, lettisch: Zemgaļi, kämpften gegen die skandinavischen Waräger um die Herrschaft über die Wasserwege, über welche Raubzüge und Handel von der Baltischen See bis weit ins Landesinnere möglich war.
Unsere Reise
Wie vielleicht auch schon Sven haben wir schöne Dinge aus dem Baltikum mitgebracht: Schnitzereien, Bernstein, Met, Ideen für neue Produkte und viele schöne oder interessante Fotos und Eindrücke von Stadt und Land, von Modern bis Museum. Wir sind auf der großen Fähre aber sicher bequemer gereist als auf einem Knarr. 😉